Initiativgruppe „Grüne Welle“
Dr. Dr. Klaus Pul
Akazienstraße 26a
15370 Fredersdorf-Vogelsdof
Hydrologisches Gutachten zum BP 33 Akazienstraße,
eingefordert durch Beschluss der Gemeindevertretung vom 26.01.2017
Vorläufige Bewertung des zur Zeit vorliegenden Gutachten
Die Absicht, in der Niederung Akazienstraße-Landstraße auf ca. 2,8
ha ein Neubaugebiet zu errichten, steht entsprechend dem Beschluss der
Gemeindevertretung unter dem Vorbehalt, dass von dieser Bebauung für die
umliegenden Wohngebiete keine Wasserschäden ausgehen dürfen. Durch ein
hydrologisches Gutachten war zu klären, ob von diesem Eingriff in die Niederung
Wasserschäden ausgehen – Ja oder Nein!
Punkt 4 des Beschlusses:
„Öffnung des Grabens, soweit
das hydrologische Gutachten ergibt, dass sich die hydrologische Situation im
Plangebiet sowie in den anliegenden Wohngebieten dadurch nicht verschlechtert.“
Punkt 9 des Beschlusses:
„Klärung der Versickerung
des auf der Fläche anfallenden Regenwassers sowie sonstiger hydrologischer Auswirkungen
einer Bebauung zur Vermeidung von negativen Auswirkungen auf die umliegenden
Wohngebiete.“
Der Prüfauftrag der
Gemeindevertretung wurde entsprechend dem Haftungsrecht eindeutig formuliert
und verlangt eine zweifelsfreie Aussage dazu: Kann in dieser Niederung gebaut
werden – Ja oder Nein.
Auftraggeber des Gutachtens:
Investor TAMAX Unternehmensgruppe (im Folgenden TAMAX). Der Auftrag zum
hydrologischen Gutachten wurde am 31.05.2017 erteilt.
Auftragnehmer des Gutachtens: R & H Umwelt GmbH, Zentrale Nürnberg, Schnorrstraße 5 a (im
Folgenden Gutachter).
Titel des Gutachtens: „Auswirkungen
einer Regenwasserversickerung in einem geplanten Neubaugebiet sowie Offenlegung
des Elisenhofgrabens.“[1]
Das Gutachten (Umfang: 33
Seiten + 7 Anlagen) wurde mit Datum vom 05.06.2018 der Gemeindeverwaltung
Fredersdorf-Vogelsdorf vorgelegt. Diese Fassung stand uns zur Verfügung.
Einsicht genommen wurde am 27.11.2018 und 11.12.2018. Von der Verwaltung wurde
darauf hingewiesen, dass an Problemen (Entwässerungsplanung) noch gearbeitet
wird. Eine Kopie des vorliegenden Exemplars konnte nicht ausgehändigt werden.
Unsere folgenden Aussagen zum Gutachten beziehen sich auf diese Fassung vom
05.06.2018.
Einschätzung des vorliegenden Gutachtens
Um zu zweifelsfreien
Aussagen zu kommen, muss ein Gutachten zu einem so nachhaltigen Eingriff in
eine Niederung auf Daten aufbauen, die den realen Gegebenheiten entsprechen.
Dazu gehören
- Besonderheiten der Niederung
zwischen Altlandsberger Chaussee und Landstraße,
- Wasserströme in die
Niederung hinein,
- Wasserbewegung in der
Niederung,
- Funktion der
Wasserspeicherkapazität des vorgesehenen Baugebietes (ohne Bebauung/mit
Bebauung),
- Abflüsse aus dem Baugebiet
in den tieferen Teil der Niederung und in anliegende Wohngebiete,
- Verbindungen zu anderen
Niederungen (hinter Baumschulstraße, Bärchengraben).
Grundsätzlicher Mangel des
Gutachtes ist, dass Angaben zu Extremregen und Extremregenperioden ausgespart
bleiben ebenso Winter mit viel Niederschlag und Frostboden. „Normalsituationen“
aber sind für den Prüfauftrag der Gemeindevertretung völlig uninteressant. Bekanntlich
wird die Niederung seit einigen Jahren massiv mit der Entsorgung von Niederschlagswasser
(Straßen- und Parkplatzentwässerung, Mulden mit Überlauf) aus Fredersdorf-Nord belastet.
Aufgrund der guten Datenlage, mindestens seit 1945 auch in akzeptabler Nähe zu
Fredersdorf-Vogelsdorf, wäre zu erwarten gewesen, dass in diesen Jahren
aufgetretene extreme Niederschläge ausgewertet sowie künftig mögliche Zuflüsse in
die Niederung im Gutachten berechnet sind. Dazu fehlen Angaben[2],
wo doch genau diese Zuflüsse mit dem Abfluss aus dem beabsichtigen Baugebiet
zusammentreffen und spätestens am Punkt Elisenhofgraben/Landstraße zum Problem
werden. Wir meiden den Begriff „Schönwettergutachten“. Aber zweifelsfreie
Aussagen zum Prüfauftrag der Gemeindevertretung verlangen zwingend, extreme Niederschlagsereignisse/-perioden
auszuwerten.
Aus dem beabsichtigten
Baugebiet würde bei Extremregen das Sickerwasser nahezu komplett als
Schichtenwasser in den tieferen Teil der Niederung und in Richtung
Bärchengraben abfließen, denn die Speicherkapazität der versickerungsfähigen
Fläche ist im Falle einer Bebauung in kurzer Zeit erschöpft. Zahlenangaben zu diesem
Schichtenwasser sucht man im Gutachten vergebens. Offensichtlich geht der
Gutachter davon aus, dass neben der jetzt vorhandenen funktionsfähigen
Verrohrung zusätzlich entlang dem vorgesehenen Baugebiet ein neuer Graben
angelegt werden soll. Es ist nicht erkennbar, ob dem Gutachter bewusst ist,
welche Meliorationsfunktion ein solcher neuer Graben in dieser Niederung hat,
nämlich: Bei Extremniederschlag beschleunigt er den Abfluss aus dem
Wassereinzugsgebiet (Tauben-, Amsel-, Finkenstraße), und die Gefahr für
umliegende Wohnbebauung durch fließendes und steigendes Schichtenwasser wächst.
Am Sammelpunkt
Elisenhofgraben/Landstraße treffen im Extremfall drei Wasserströme aufeinander:
- Wasser aus der Verrohrung
- Wasser aus dem neuen Graben
- Oberflächenwasser aus dem
Baugebiet als Überlauf aus dem geplanten Auffangbecken.
Die dort entstehende Situation ist im Gutachten in keiner Weise
auch nur annähernd, geschweige denn widerspruchsfrei, und in Übereinstimmungen
mit den zu beobachtenden Erfahrungswerten geklärt (vgl. auch Punkt 4 und 6 der
Anmerkungen).
Wir haben beim Lesen des
Gutachtens festgestellt, dass es zum Schadenspotential für umliegende
Wohngebiete im Falle extremer Niederschläge keine Aussagen gibt. Offensichtlich
ist dem Gutachter der Zusammenhang zwischen Extremniederschlägen und eines
höheren Gefahrenpotentials in dieser Niederung durch Bebauung entgangen (vgl. auch
Punkt 2 der Anmerkungen).
Zu welchen Aussagen kommt
nun der Gutachter entsprechend seines Auftrages. Er schreibt: Es ist „aus
gutachterlicher Sicht die Umsetzung des geplanten Neubaugebietes unter der
Voraussetzung einer Versickerung von nur 1/3 des Oberflächenwassers … ohne
negative Auswirkungen auf die umgebenden Wohnbebauungen möglich“ (Gutachten,
Seite 31). Bezüglich der anderen zwei Drittel war in einer Pressemitteilung Ähnliches
zu lesen: „… dass es eine Lösung für das Wasserproblem gebe. So könnten, wenn
die Untere Wasserbehörde zustimme, zwei Drittel des Wassers über den Elisenhofgraben
nach Neuenhagen abgeleitet werden.“ (MOZ/Märkisches Echo vom 02.05.2018).
Was heißt Versickerung von
nur „1/3 des Oberflächenwassers“? Auf welches Niederschlagsereignis bezieht
sich diese Angabe? „Ein Drittel“ gibt es als solches nicht, es benötigt immer
eine Basisangabe, d. h. eine Bezugsmenge. Also was meint der Gutachter – ein
Drittel von welcher Menge, ein Drittel der Niederschlagsmenge von 60 Liter/qm,
von 120 Liter/qm, oder von 240 Liter/qm? Ist es ein Drittel einer Sturzflut von
18 Minuten oder einer Niederschlagsmenge von 24 Stunden oder von 30 Tagen? Ist
es im hydrologischen Sinne ein Drittel eines 5jährigen, eines 10jährigen, eines
30-, 50- oder 100jährigen Niederschlagsereignisses? Im Gutachten sucht man
vergebens nach der Bezugsmenge.
Es gibt im Gutachten keine
Beweisführung, die bestätigt, dass in der Niederung ohne Schäden umliegender
Wohnbebauung gebaut werden kann, denn das zentrale Element einer solchen
Beweisführung fehlt, nämlich quantitative Angaben zu Extremniederschlägen (einschließlich
Extremniederschlagsperioden), mit deren Eintreten man rechnen muss. Diese
Feststellung beziehen wir auch auf die im Gutachten erwähnte Berechnung nach
dem „Finite-Element-Grundwassermodell als nicht kalibriertes Prinzipmodell“. (vgl.
Punkt 6 der Anmerkungen)
Diese hier aufgeworfenen Fragen sind dem Sachverhalt nach zu
klären. Es wäre grobe Fahrlässigkeit, würde das nicht geschehen.
Der Bürgermeister hat das
Recht, Nachbesserungen zu fordern, wenn er das Empfinden hat, dass sie für die
Gemeindevertretung erforderlich sind.
Einige andere offene Fragen
und Anmerkungen
- Der permanente Verlust von
Wasserspeicherkapazität in der Niederung spielt dem Gutachten zufolge keine
Rolle für die über den Elisenhofgraben zum Neuenhagener Mühlenfließ abzuführenden
Wassermengen. Es vermittelt den Eindruck, dass jede beliebige Menge an
Niederschlagswasser schadlos abgeführt werden kann. Ist es wirklich so oder
gibt man sich technischen Illusionen hin? Fakt ist, dass man im Herbst/Winter
2017/2018 beobachten konnte, wie der Zufluss in den Elisenhofgraben höher als
der Abfluss war und es zu erheblichen Vernässungen kam.
- Es gibt Regenereignisse, wo das
Potential der Grünfläche, auf der gebaut werden soll, als Wasserspeicher existenziell
ist, um anliegende Wohnbebauung vor Schäden zu schützen. Es sind Schäden, die
erst im Falle der Bebauung entstehen und sonst nicht entstanden sein würden; das
Ziehen eines Grabens beseitigt dieses Problem nicht.
- Es fehlen die Messprotokolle
an den Grundwassermessstellen GWM 1 bis GWM 3 sowie die Interpretation, welcher
Zufluss zu der angegeben Zeit dort gemessen wurde. Bei der Interpretation der
Daten ist zu berücksichtigen, dass durch weitere Versiegelung im
Wassereinzugsgebiet der Zufluss zunimmt.
- Langjährige Beobachtungen am
Sammelpunkt Elisenhofgraben/Landstraße zeigen: durch Fehlen einer natürlichen
Vorflut kommt es, bevor Grabenwasser dort überhaupt fließt, zum Rückstau in die
Niederung. Nachhaltige Versickerungen wurden hier noch nie beobachtet.
- Zur Grabenöffnung: Im Falle,
dass ein seit Jahrzehnten der Niederung eingepasstes und Schäden an der
umliegenden Wohnbebauung verhinderndes, also gut funktionierendes Rohrgrabensystem
ganz oder teilweise herausgerissen werden soll, ist nach den Gründen und
Vorhaben zu fragen? Die im Literaturverzeichnis des Gutachtens für 2015/2016 ausgewiesenen
Untersuchungen dazu standen uns nicht zur Verfügung. Es handelt sich dabei um:
- „Offenlegung des verrohrten Grabens zwischen Altlandsberger
Chaussee und der Akazienstraße. Baugrundgutachten 2015“ (angefertigt von: Baugrund-Partner!)
- „Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf. Offenlegung des verrohrten
Grabens zwischen Altlandsberger Chaussee und Akazienstraße und
Genehmigungsplanung, Cottbus 2016“ (angefertigt
von IPP Hydo Consult GmbH)
- „Städtebauliche Voruntersuchung zur Vorbereitung einer
Bauleitplanung im Bereich Ulmen-, Ebereschen- und Akazienstraße. Gutachten
Berlin 2016“ (angefertigt von Stefan Bolk, Büro für
Stadt-, Dorf – und Freiraumplanung)
- „Wohngebietserschließung Fredersdorf Regenentwässerung –
hydrologischer Fachbeitrag Dresden 2016“ (angefertigt
von Fugro Consult GmbH)
Die Gemeindeverwaltung beauftragte im
Schreiben vom 04.10.2017 die R&H Umwelt GmbH Nürnberg mit ergänzenden
Untersuchungen zu den hydrologischen Auswirkungen bei Offenlegung der
Verrohrung. Der Gutachter seinerseits schlug vor, die Ergebnisse beider
Untersuchungen (Auftrag: TAMAX/ergänzender Auftrag: Gemeindeverwaltung) in
einem gemeinsamen Gutachten zu erläutern. Bei dem uns zur Einsicht vorgelegtes
Material handelt es sich um dieses gemeinsame Gutachten (vgl. Seite 9).
Welche Wassersituation entsteht
am Punkt Akazienstraße im Falle eines neuen Grabens? Bekanntlich fehlt für
einen solchen Graben nahezu völlig die natürliche Vorflut und der Wasserstand
im Graben ist immer identisch mit der Höhe des Schichtenwassers. Die Höhe des
Schichtenwassers lässt sich exakt unter Berücksichtigung des Geländereliefs
berechnen. Dazu schweigt das Gutachten, stattdessen wird behauptet: Die
Wassersituation verbessere sich (vgl. Seite 33). Solche Aussage erstaunt um so
mehr als Teile der Niederung im Bereich Altlandsberger Chaussee-Akazienstraße
im Gutachten ausgespart bleiben, andererseits eine Fläche, die nicht zur
Niederung gehört, jenseits der Landstraße, mit eingeschlossen ist. Eine Erklärung
zu dieser territorialen Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes gibt es nicht.
- Im Gutachten wird
vorgegeben, die Grundwasserdynamik[3]
mit einer Modellrechnung erfasst zu haben, d.h. die Auswirkungen der
Neubebauung inklusive des zugehörigen Entwässerungssystems auf die
Grundwasserstände im Neubaugebiet und in dessen Umgebung nachgewiesen zu haben
(vgl. Seite 31). Als Modell wählt der Gutachter ein
„Finite-Element-Grundwassermodell als nicht kalibriertes Prinzipmodell“. Leider
führt er dazu fast nichts aus, wodurch seine Aussage – alles Wasser kann
schadlos im Elisenhofgraben abgeführt werden – nicht nachvollziehbar ist. Zum
Verständnis: Bausteine dieses Modells sind finite Elemente als mathematisch
dargestellte Teilgebiete der Niederung, ihre „Summierung“ zu einer
Gesamtfunktion unter Berücksichtigung der Nichtkalibrierung d. h. zahlreiche
Daten des Modells sind durch Messungen nicht abgesichert. Ein solches Modell
kann angewandt werden, schränkt aber die Aussagen erheblich ein. Um die Grenzen
dieser Modellrechnung einschätzen zu können, fehlen im Gutachten Angaben.
Resümee
Das vorliegende Gutachten liefert nicht die
notwendigen Daten für zu kalkulierende Wasserströme in der Niederung bei Extremniederschlagsperioden.
Originäre Aufgabe eines hydrologischen Gutachtens ist, solche Angaben für die
Planung wassertechnischer Anlagen zu liefern; sie fehlen bislang. Die
Verantwortung für diese Daten liegt beim Hydrologen. Und es fehlt die alles
entscheidende Aussage, nämlich welche Schadensmarken der Gutachter als
Grenzwerte für Abflusssituationen angibt. Insofern ist der Beschluss der
Gemeindevertretung in Punkt 4 und Punkt 9 nicht erfüllt. Unverständlich ist, dass
es eine heute mögliche Computeranimation zur Veranschaulichung der Ergebnisse des
Gutachtens nicht gibt.
Weitere Vorgehensweise
Beim jetzigen Stand der Arbeit am hydrologischen Gutachten besteht
Klärungsbedarf, den wir mit der hier vorgelegten Bewertung signalisieren.
Soweit es zu diesem Gutachten vom 05.06.2018 Veränderungen gibt, gehen wir
davon aus, dass die neue Fassung, sobald sie vorliegt, uns digital zugestellt
wird. Das gleiche betrifft die wassertechnischen Berechnungen. Wir erwarten,
dass unterschiedliche Einschätzungen zu Sachverhalten erläutert und fachlich
abweichende Meinungen geklärt werden. Sie sind zu klären entsprechend dem
vorliegenden Erkenntnisstand der Hydrologie, den anerkannten Regeln der Technik
und auf der Grundlage des Beschlusses der Gemeindevertretung, Prüfauftrag Punkte
4 und 9.
[1]
Als „Elisenhofgraben“ wird im Gutachten ein
Graben vom Fennpfuhl bis zum Neuenhagener Mühlenfließ angenommen. Ortsübliche
Bezeichnung für „Elisenhofgraben“ ist der tatsächlich vorhandene Graben von der
Landstraße bis nach Elisenhof zum Neuenhagener Mühlenfließ.
[2]
Das Gutachten erfasst lediglich
Regenereignissen der Jahre 2006 bis 2014 sowie Niederschlagsmengen von 2017
[3] Grundwasserdynamik
schließt hier die Schichtenwasserbewegung ein